10. Aufbau und Titel

Aufbau und Titel

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Obwohl viele Gedichte anfangs unzugänglich, ja sogar willkürlich und zusammenhangslos erscheinen mögen, folgen sie oftmals bestimmten Mustern, die immer wieder auftauchen.

Hauptthema

Zuerst klärt man, welches das vorherrschende Thema des Gedichts ist.

Neben den üblichen Verdächtigen wie Liebe und Natur, erscheinen auch abstraktere Inhalte wie Politik und poetologische Betrachtungen (wenn ein Dichter über das Dichten an sich Gedanken anstellt oder über seine Rolle in der Gesellschaft).

Dann prüft man die Darstellungsart.

Darstellungsart

Bildhafte Lyrik: Erlebnisse und Empfindungen werden anschaulich und gegenständlich gestaltet, meist in Verbindung mit der Schilderung von Gefühlen (Naturlyrik, Liebeslyrik).

Gedankliche Lyrik: Theoretische Fragen über religiöse und weltanschauliche Probleme werden betrachtet (Lehrgedichte, politische Gedichte).

Gedanklicher Aufbau des Gedichts

Je nachdem, in welcher Reihenfolge der Sprecher seine Gedanken, Empfindungen und Wahrnehmungen darstellt, lässt sich ein bestimmter Aufbau erkennen. Vier immer wieder vorkommende Muster sind:

Linearer Aufbau: die Teile sind aneinandergereiht, etwa in chronologischer Folge

Antithetischer Aufbau: die Teile stehen sich als Gegensätze gegenüber, etwa Äußeres – Inneres, These – Antithese, einst – jetzt

Argumentativer Aufbau: die Teile laufen auf eine Forderung, ein Urteil oder Fazit hinaus

Zyklischer Aufbau: das Gedicht beginnt an einem Ausgangspunkt, nur um genau an derselben Stelle zu enden, der Sprecher „dreht sich also im Kreis“, wie etwa in Eichendorffs „Das zerbrochene Ringlein“

Hinweis: der letztgenannte Begriff ist eine perönliche Definition von mir, also wieder einmal mit der Lehrkraft abklären, ob sie diesen akzeptiert

Titel

Wie wichtig es sein kann, den Titel des Gedichts zu beachten, möge folgende Anekdote illustrieren:

In Q12 wurde als Klausuraufgabe das expressionistische Gedicht „Der Gott der Stadt“ von Georg Heym gestellt. Hier die erste Strophe:

Der Gott der Stadt
Auf einem Häuserblocke sitzt er breit.
Die Winde lagern schwarz um seine Stirn.
Er schaut voll Wut, wo fern in Einsamkeit
Die letzten Häuser in das Land verirrn.

Bei der Nachbesprechungen sagte eine Schülerin vorwurfsvoll, nahezu empört: „Woher soll ich wissen, wer mit ‚er’ gemeint ist?“

Vielleicht bezieht sich das Personalpronomen auf das Substantiv im Titel, auf das gleich in der Zeile darüber?

Zwar kann ein Titel dem Inhalt des Gedichts auch ironisch gegenüberstehen, aber irgendeinen Bezug wird es geben.

Denn wie immer gilt: In einem Gedicht steht nichts durch Zufall an Ort und Stelle. Alles ist vom Dichter mit Bedacht gewählt und gestaltet.

Daher kann man oftmals über den Titel sagen: „Der Name ist Programm.“, oder falls dieser zu vage gehalten ist, dann zumindest nach Lesen des Gedichts: „Der Titel passt zum Inhalt.

Falls sich aus dem Titel gar nichts ableiten lässt, dann man sich immer noch darüber auslassen.

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